Evangelisch-Lutherische
Kirchengemeinde
Markt Schwaben
Header - Glaskreuz, Markt Schwaben / Glasfenster, Poing

Bethlehem: Pfarrer Dr. Raheb erhält den Aachener Friedenspreis 2008

Pressemeldung vom 8.Mai 2008

Pfarrer Raheb, Bethlehem, Weihnachtskirche"Bedrohung, Besetzung und Schikanen gehören zum Alltag von Mitri Raheb. Doch der palästinensische Pfarrer will sich mit dem zunehmenden Hass nicht abfinden. Palästinenser und Israelis brauchen eine Vision, wie sie gemeinsam leben können - so lautet das Credo des evangelischen Theologen, der seit 20 Jahren Pfarrer der Weihnachtskirche in Bethlehem ist. Sein langjähriges Engagement für das friedliche Zusammenleben im Nahen Osten wird in diesem Jahr mit dem Aachener Friedenspreis gewürdigt.

Raheb sei heute einer der Hoffnungsträger in der Region, begründete der Friedenspreis-Verein am Donnerstag in Aachen die Wahl. Der Theologe erhält den Preis gemeinsam mit der israelischen Friedensorganisation «MachsomWatch». Die Auszeichnung sieht der 45-jährige Theologe als «eine Ermutigung, dass unsere Arbeit gerade in Deutschland wahr- und ernstgenommen wird», wie Raheb in Bethlehem dem epd sagte. Neben seinen Aufgaben als Pfarrer entwickelte Raheb nach und nach auf dem Kirchenareal ein weitgefächertes Angebot an Bildungszentren, Betrieben und touristischen Einrichtungen für internationale Gäste.

Schule außen Dar al-KalimaSo gibt es dort inzwischen ein Internationales Begegnungszentrum, eine Schule und ein Zentrum für  Kunsthandwerk. Nachdem das Gelände im Jahr 2002 von der israelischen Armee besetzt und zu großen Teilen zerstört wurde, setzte sich Raheb unermüdlich für einen Wiederaufbau ein. Die richtige Antwort auf eine Kultur der Gewalt, so argumentierte er, sei die Macht der Kultur.

«Der Krieg kann uns nicht unsere Vision rauben, in Frieden mit unseren Nachbarn zusammenzuleben», verkündete er denn auch im ersten Gottesdienst nach dem Ende der Besetzung. Krieg und Terror prägten Rahebs Leben bereits früh. «Die ersten Klänge, die mir im Gedächtnis geblieben sind, stammen von israelischen Flugzeugen, die über unsere Stadt fliegen», erinnert sich der Pfarrer an seine frühe Kindheit während des Sechs-Tage-Krieges 1967.

Der 1962 in Bethlehem geborene Raheb studierte evangelische Theologie an der Universität Marburg, wo er auch promovierte. Heute unterhält er zahlreiche Kontakte nach Deutschland, Europa und in die USA. Mit Leidenschaft streitet der Theologe für eine gemeinsame Zukunft von Palästinensern und Israelis. Dabei macht er aus Rückschlägen und Enttäuschungen keinen Hehl.

Für eine Feier sehe er keinen Anlass, erklärte er mit Blick auf das 60. Jubiläum der Staatsgründung Israels, das in diesen Tagen begangen wird.

Kindergarten Dar al-KalimaDas Projekt Israel sei schon aufgrund der Besatzung und das Projekt Palästina am Konflikt zwischen den Organisationen Fatah und Hamas gescheitert. Nach Rahebs Ansicht muss sich auch Europa stärker seiner Verantwortung für den Nahen Osten stellen. Denn die heutigen Spannungen und Konflikte seien der Preis, den die Region für die Schuld Europas zahlen müsse, betont er. Der Holocaust habe nicht nur dem jüdischen Volk geschadet, sondern auch den Palästinensern. «Denn wir sind die Opfer der Opfer», ist Raheb überzeugt.

Auch wenn der Pfarrer derzeit einem eigenständigen Palästinenserstaat kaum Chancen einräumt, schöpft er immer wieder neue Hoffnung. Etwa, wenn er das Engagement von Friedensinitiativen wie «MachsomWatch» sieht. Die Freiwilligeninitiative israelischer Frauen prangert Menschrechtsverletzungen der israelischen Kontrollposten gegenüber Palästinensern an.

Bethlehem hinter Mauern«Das sind für mich Israels neue Propheten, die Israel ins Gewissen rufen», würdigt Raheb die Initiative. Denn wirklich weise sei, so schreibt der Theologe in seinem jüngsten Buch «Bethlehem hinter Mauern», wer aus Feinden Nachbarn mache und nicht aus Nachbarn Feinde. (Evangelischer Pressedienst, 8.5.2008)

Interview mit Pfarrer Dr. Mitri Raheb


Mitri Raheb in Markt SchwabenDr. Mitri Raheb, Pfarrer der arabisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem, hat den Aachener Friedenspreis 2008 zugesprochen bekommen. Der Preis wird am 1.September in Aachen verliehen.

Pfr. Raheb, trifft Sie diese Preisverleihung unerwartet?

Ja, ich habe nicht mit dieser Auszeichnung gerechnet, da ich den Eindruck habe, in der deutschen Szene nicht mehr so wie in früheren Jahren präsent zu sein. Ich habe zwar gehört, daß ich nominiert wurde, aber daß ich nun wirklich geehrt werde, überrascht mich und freut mich sehr.

Hat es eine besondere Note, daß die Ehrung an dem Tag, an dem die Palästinenser die al-Nakba ("Katastrophe der Vertreibung") und die Israelis ihren Unabhängigkeitstag begehen, verkündet wurde?

Ja, das hat für mich besondere Bedeutung. Denn eigentlich gibt es derzeit nichts zu gedenken oder zu feiern. Israel kann seinen 60. "Geburtstag" nicht wirklich feiern, weil aufgrund der andauernden Besatzungspolitik das Projekt "Israel", wie es sich seine Gründerväter und –mütter gewünscht haben, eigentlich gescheitert ist.

Aber auch das Gedenken der Palästinenser ist fragwürdig, denn das Projekt "Palästina" ist durch den Streit zwischen Hamas und al-Fatah ebenso gescheitert. Daher ist die heutige Preisverleihung schon etwas besonderes: Denn sie macht deutlich, daß der Friede weiterhin eine Aufgabe ist und nicht als bereits erreicht gelten kann.

Mitri Raheb in Markt SchwabenWas bedeutet es für Sie, den Preis zusammen unter anderem mit der israelischen Friedensorganisation "Machsom Watch" zugesprochen zu bekommen?

Ich fühle mich geehrt, weil "Machsom Watch" sehr wichtig ist. Dies weniger für die Palästinenser, die durch die Beobachterfunktion von "Machsom Watch" an den israelischen Checkpoints eine gewisse Unterstützung erhalten. Sondern vor allem für die Israelis selbst, denn "Machsom Watch" ist für mich die prophetische Stimme im heutigen Israel. "Machsom Watch" füllt das biblische Wort, daß Israel sich daran erinnern soll, daß es selbst Knecht in Ägypten war, mit Leben.

In diesen Tagen nehmen Sie an einer Tagung mit Partnerkirchen aus aller Welt teil, die in Bethlehem stattfindet. Was kann das Ausland – und dort insbesondere die Kirchen – zum Frieden im Heiligen Land beitragen?

Ich habe ein gewisses Misstrauen gegen die "Friedensplauderer". Weltweit, aber auch in Palästina selbst wird viel zu viel vom Frieden nur geredet und für ihn gebetet. Viel wichtiger ist aber, daß man Fakten für den Frieden schafft. Fakten, die Hoffnung in den Menschen wecken und diese am Leben erhalten. Palästina muß tatkräftig aufgebaut werden, damit es eine Zukunft hat. Der Aachener Friedenspreis ist somit ein Zeichen für das "Dennoch": für den Frieden muß gearbeitet werden, auch wenn aktuell es wenig Zuversicht gibt und alle Erwartungen schwinden. Die Fakten, die heute geschaffen werden, sind nötig, damit zumindest "übermorgen", also auf lange Sicht, es eine Basis gibt. Kirchen aus aller Welt, besonders auch die EKD, helfen ungemein, in vielfältiger Weise diese Fakten zu schaffen. Ihr Beitrag ist wichtig, damit Palästinenser befähigt werden, selbst einen Beitrag zum Frieden zu leisten.

Welchen Beitrag erwarten Sie von Deutschland für den Frieden in Nahost?

Dar al-Kalima, KinderUm ehrlich zu sein: Ich erwarte von Deutschland eigentlich nichts in diesem Zusammenhang. Ich befürchte, daß Deutschland noch nicht in der Lage ist, einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Die Bundesrepublik mag sich vielleicht finanziell einbringen. Aber ihr sind durch die Geschichte doch sehr die Hände gebunden, um wirklich hier aktiv werden zu können.

Was ist denn aus Ihrer Sicht für einen Frieden zwischen Israel, den Palästinensern und den anderen arabischen Nachbarn notwendig?

Vor allem ist es nötig, daß es eine Gleichberechtigung zwischen Israelis und Palästinensern gibt. Und diese Gleichbehandlung muß rechtlich abgesichert sein. Zudem ist es nötig, daß diese Koexistenz auch ökonomisch eingebettet ist. Ich halte daher nichts von der aktuell wieder auflebenden Debatte, ob die Zweistaaten-Lösung sinnvoll ist, oder lieber ein binationaler Staat angestrebt werden sollte.


Dar al-Kalima, GesundheitszentrumIch sehe nur, daß Israel derzeit verzweifelt versucht, Konzepte zu implementieren, die bereits andernorts gescheitert sind. Ich nenne es das WAR-Konzept.

W steht dabei für die "Wall" (Sperrmauer): auch in Ostdeutschland hat man behauptet, daß das Einsperren eines Volkes der Sicherheit dient. A steht für Apartheid: die Bildung von abhängigen, hilflosen "Bantustans", die selbst nicht lebensfähig sind, war die Politik, die in Südafrika untergegangen ist. Und R steht für Reservationen: in den USA wurde der Fehler begangen, Menschen zu degradieren und in unfruchtbaren Regionen zusammenzutreiben und festzusetzen. Dies ist der "war" (Krieg), den Israel führt.


Ich wünsche mir, daß es beiden Völkern in diesem Land möglich sein wird, ihre Identität zu gestalten, ohne dafür andere diskriminieren zu müssen. Es ist nötig, daß sich die ganze Region vom Nil bis zum Eufrat neu gestaltet. Ansonsten verpasst sie ihre Chance für die Zukunft. Gegenwärtig erleben wir schon, daß sich der Fokus hin zu den Golf-Emiraten verschiebt.

Der Aachener Friedenspreis wird am 1.September übergeben werden. Was ist Ihr größter Wunsch, der bis zu diesem Tag in Erfüllung gehen sollte?

Ich wünsche mir vor allem, daß es bis dahin – und auch danach – zu keinem erneuten Krieg kommt: Weder hier im Land, noch im Libanon, mit dem wir heute bangen, noch in Syrien oder im Iran.

(Das Interview führte Jens Nieper / EKD, 8.5.08)

Pressestimmen zum Friedenspreis

Der Kölner Stadtanzeiger:

College Dar al-Kalima Bethlehem(...) Mitri Raheb ist Pfarrer an der Weihnachtskirche in der Geburtsstadt Jesu. Der 46-Jährige setze sich auf vielfältige Weise für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Palästinensern ein, so Steinbicker. Ihm komme es darauf an, trotz des Konfliktes den anderen als "Gottes Geschöpf" zu erkennen, das ein Recht auf Leben, Vergebung und Liebe habe. Raheb bietet in seiner Gemeinde ein großes Kultur-und Bildungsprogramm an, mit dem er nach eigenen Angaben rund 50.000 Christen und Muslime erreicht. (...)

Social Times:

Raheb und den Frauen von MachsomWatch werde der Preis gemeinsam verliehen, «um ein Signal des Dialogs und der Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts auszusenden», erklärte der Vorsitzende der Friedenspreis-Initiative, Otmar Steinbicker. MachsomWatch ist eine 2001 gegründete Freiwilligenorganisation israelischer Frauen. Sie kontrolliert an rund 30 der 580 Kontrollposten der israelischen Armee das Verhalten von Soldaten und Polizisten im Umgang mit Palästinensern. (...)

Pfarrer Raheb und Bürgermeister WinterDen Pastor an der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem, Mitri Raheb, nannte Steinbicker «einen der Hoffnungsträger in der Region». Der in Bethlehem geborene evangelische Pfarrer studierte und promovierte an der Universität Marburg. Seit 15 Jahren trete Raheb für seinen Traum vom friedlichen Zusammenleben von Juden und Palästinensern ein, sagte Steinbicker. Über seine Aufgaben als Pfarrer hinaus habe der 45-jährige Theologe mit seiner Gemeinde Bildungseinrichtungen, ein Begegnungszentrum und touristische Betriebe für internationale Gäste aufgebaut. (...)

Baseler Zeitung:

(...) Der evangelische Pfarrer Mitri Raheb ist Palästinenser. Er sei ein angesehener Mann, der über seine nationalen und internationalen Kontakte für den Dialog zwischen den Konfliktparteien werbe, teilte der Aachener Verein mit. Er bezeichnete Raheb als einen Hoffnungsträger in der Region, in der die durch bitteres Unrecht frustrierten Menschen nicht mehr viel von Gesprächen hielten. (...)

Zu den Fotos

Mitri Raheb und Jimmy CarterDie Fotos dieser Seite zeigen Mitri Raheb in Bethlehem und bei seinem Besuch in Markt Schwaben, bei der Begegnung mit Jimmy Carter (links) sowie Dar al-Kalima (Schule, Kindergarten, Schwimmbad und Baustelle für die Fachhochschule).

Mehr zu Dar al-Kalima

 

Preisverleihung am 1.September 2008 in Aachen

Die Urkunde des Friedenspreises:
„Wir zeichnen Sie aus, weil sie von unten her Frieden gestiftet haben durch Gerechtigkeitssinn, Zivilcourage, Tatkraft, Sachlichkeit und Herz.“

Mitri Raheb in Aachen

Pfarrer Dr. Mitri Raheb in seiner Dankesrede:
„… Wir wollen nicht predigen, wie alles sein könnte, wenn die große Friedenszeit angebrochen ist, sondern schon heute inmitten der absurdesten Situation, einen Vorgeschmack geben, wie Palästina aussehen könnte, sollte und müsste,  wenn eine Vision, der Wille, der Glaube und das richtige Management der Ressourcen da wären. … Das Heilige geht verloren im Kampf um das Stückchen Land. Was nützte es einem Volk aber, wenn es das ganze Land gewönne und dabei seine Seele verlöre? Auf die Worte der Propheten gilt es zu hören: “Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen.” (Sacharja 4,6).


…In einer aussichtslosen Lage, wo unser Lebensraum uns systematisch geraubt wird,  haben wir die unmögliche Aufgabe, jetzt schon Räume der Hoffnung zu schaffen. Unsere wichtigste Aufgabe kann nicht darin bestehen, diese Menschen auf morgen zu vertrösten. Sie müssen spüren, dass es ein Leben vor dem Tod gibt, dass es sich zu leben lohnt. …“


Mitri Raheb, Roni HammermannRoni Hammermann in Aachen:

Alle Frauen unserer Organisation sind ehrenamtlich tätig und dokumentieren, „was wir mit eigenen Augen gesehen haben … Wir leben in Angst, aber sie wird auch ganz bewusst von der israelischen Regierung geschürt.“

Die ARD zeigte am 21.12.08 einen Film über Pfarrer Dr. Mitri Raheb ...

Pfarrer Dr. Raheb im November 2009 in Markt Schwaben ...

Logo

Partnerschaften


Die Fünf C`s der Schule "Dar al-Kalima" in Bethlehem

Creativity - Kreativität, Communication - Kommunikation, Christianity – Christliche Werte, Critical Thinking – Kritisches Denken Commintment to our Palastinian Communitiy – Einsatz für unsere palästinensische Gesellschaft.


Interessantes im Internet

www.annadwa.org
Internationales  Begegnungszentrum Bethlehem, Evangelische Weihnachtskirche, Glaskunstwerke, Evangelische Schule „Dar al-Kalima“, Einrichtungen von Pfarrer Dr. Mitri Raheb, annadwa ist das arabische Wort für Begegnung

www.ochaopt.org
UN-Menschenrechts- Beobachtung, Karten zu Checkpoints und Mauer

www.machsomwatch.org
Berichte der Frauen der israelischen Organisation Machsom Watch (Roni Hammermann)

www.arij.org
Beobachtung der israelischen Kolonisierung (mit Satelliten- Fotos)

www.openbethlehem.org
Zur Mauer

www.gush-shalom.org
Israelische Friedensorganisation, Uri Avnery

 


 

Förderverein Bethlehem Akademie Dar al-Kalima

www.daralkalima.

Über den Förderverein werden Spenden für Schule, Fachhochschule und andere Einrichtungen von Dar al-Kalima nach Bethlehem geleitet.

Spendenbescheinigungen: Adnan Nasser, Stuttgart, Mail: a.Nasser(at)online.de

EKK Stuttgart, BLZ 600 606 06, Nr. 419 478

1.Vorsitzender: Dekan Reinhard Tröster, Weikersheim, Mail: Reinhard_Troester(at)web.de

2.Vorsitzender: Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Greifswald, Mail: Abromeit(at)gmx.de